Hirtenbrief von Bischof Stephan Ackermann zur Fastenzeit 2023

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Brigitte Karpstein
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Hirtenbrief von Bischof Stephan Ackermann zur Fastenzeit 2023

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https://www.bistum-trier.de/bistum-bisc ... zum-guten/

Ich lade dazu ein, über Bischof Stephans Auslegung über den Baum der Erkenntnis in Genesis 2, 7-9; 3, 1-7 in seiner Predigt zu diskutieren. Diese "ist in allen Sonntagsgottesdiensten zu verlesen".
Brigitte Karpstein

Hirtenbrief zur österlichen Bußzeit 2023
Gott gibt die Kraft zum Guten
Liebe Schwestern und Brüder im Bistum Trier!
Die (erste) Lesung aus dem Buch Genesis, die wir gehört haben (Gen 2,7-9; 3,1-7),
ist nicht bloß eine von vielen Episoden aus der Heiligen Schrift der Juden und
Christen. Sie ist so etwas wie eine Urerzählung der Menschheit. Sie spricht von der
Größe des Menschen und von seiner Zerrissenheit.
Wie oft haben wir diese Verse der Genesis schon gehört, und dennoch bleiben sie
geheimnisvoll. Ich persönlich frage mich immer wieder, warum Gott nicht wollte,
dass Adam und Eva vom Baum der Erkenntnis essen (Gen 2,17). Ist nicht die Fä-
higkeit, gut und böse zu unterscheiden, die Eigenschaft des Menschen, die über-
haupt erst ein verantwortungsvolles und friedliches Zusammenleben möglich
macht? Wenn ich nicht weiß, was gut und was böse ist, wie kann ich dann das
Gute tun? Anders gesagt: Wenn ich nicht weiß, was richtig und was falsch ist, wie
kann ich dann richtig handeln?
Beweisen uns nicht die Nachrichten tagtäglich, wie lebensnotwendig eine mög-
lichst rasche Unterscheidung von gut und böse, von richtig und falsch ist?
 Was hätte alles an Leid vermieden werden können, wenn die politisch Verant-
wortlichen schon vor Jahren klar die eigentlichen Motive von Präsident Putin
erkannt und entsprechend gehandelt hätten!
 Wie viel besser stünden wir als Menschheitsfamilie da, wenn wir schon früher
und deutlicher gesehen hätten, wohin der gigantische Konsum- und Energie-
hunger der industrialisierten Länder unseren Planeten bringt. Unsere Erde ist
doch der „Garten“, den Gott uns Menschen anvertraut hat, damit wir ihn be-
arbeiten und hüten. (Gen 2,15)
 Was hätte an Leid vermieden werden können innerhalb unseres Bistums und
in der Kirche insgesamt, wenn die Verantwortlichen die Verbrechen des sexu-
ellen Missbrauchs schon früher in ihren Auswirkungen erkannt und den Be-
troffenen zugehört und geglaubt hätten!
Über diese Fragen hinaus könnte jeder von uns aus dem eigenen persönlichen Um-
feld weitere Beispiele dafür anführen, was an Problemen und Unglück vermieden
werden könnte, wenn Menschen einen klareren Blick hätten für das, was gut und
böse, was richtig und falsch ist. Umso mehr müsste der Schöpfer der Welt von
Anfang an ein lebhaftes Interesse daran haben, dass wir Menschen gut zu unter-
scheiden wissen. Warum also wollte Gott dem Menschen diese Fähigkeit vorent-
halten?
Liebe Schwestern und Brüder, ich glaube nicht, dass Gott dem Menschen diese
Fähigkeit auf Dauer vorenthalten wollte. Das ist bloß der giftige Verdacht, den die
Schlange streut. Ich denke, dass Gott den Menschen zuerst bereit machen wollte
für die Erkenntnis von Gut und Böse. Denn wir wissen aus Erfahrung, dass Er-
kenntnis alleine nicht automatisch zum Guten führt. Wir sprechen sogar davon,
dass es eine „Faszination“ des Bösen gibt. Und ist es nicht so, dass manche Er-
kenntnis einen Menschen geradezu überfordert? Ich sehe einen Abgrund an Bösem
und bin wie gelähmt. Oder: Ich erkenne durchaus, was von mir gefordert wäre, um
eine Situation zum Guten zu führen. Aber ich spüre, dies übersteigt meine Kräfte.
Der große Kirchenlehrer Augustinus hat recht, wenn er sagt: Wissen und Erkennt-
nis allein machen traurig (De serm. Dom. in monte I,IV,11), zumal dann, wenn
man erkennen muss, dass Böses nicht verhindert werden kann oder die Kraft zum
Guten fehlt. Wir kennen dieses Gefühl. Sehr oft mangelt es uns nicht an der Er-
kenntnis, sondern daran, aus der Erkenntnis die notwendigen Schlüsse zu ziehen
und entsprechend zu handeln – sei es, weil die Kraft dazu fehlt oder der Wille.
Natürlich gibt es immer wieder Situationen, in denen ein Urteil nicht direkt auf der
Hand liegt. Andererseits ahnen wir oft genug intuitiv, was das Richtige ist. Diese
Gabe ist uns seit Adam und Eva geschenkt. Sie ist das, was wir als das Gewissen
bezeichnen. Das Gewissen ist die Stimme in uns, die uns hilft, Gut und Böse zu
erkennen und das Richtige vom Falschen zu unterscheiden. Aber wie oft folgen
wir dem Gewissen nicht und handeln gegen das, was wir eigentlich als richtig er-
kannt haben. Schon der Apostel Paulus hat diese Erfahrung gemacht, wenn er im
Brief an die Gemeinde in Rom ausruft: „Ich elender Mensch! ... Ich tue nicht das
Gute, das ich will, sondern das Böse, das ich nicht will, das vollbringe ich.“ (Röm
7,24.19) Dieser innere Zwiespalt, in dem wir mit Paulus stehen, ist die Konsequenz
daraus, dass Adam und Eva der Einflüsterung der Schlange nachgegeben haben.
Anstatt daran zu glauben, dass Gott es gut mit ihnen meint und ihnen nichts vor-
enthalten will, können sie es nicht erwarten, vom Baum der Erkenntnis zu essen.
Kein Wunder, dass die beiden im selben Augenblick feststellen, dass sie nackt sind.
Das heißt: Sie erkennen ihre Schwäche, ihr Ausgeliefertsein, ihre Verwundbarkeit
...
Liebe Schwestern und Brüder! Es ist wahr: Die nackte Erkenntnis allein macht
manchmal traurig, und sie kann entmutigen. Nicht ohne Grund fehlt uns oft die 3
Energie, die Dinge genauer anzuschauen, um uns ein fundiertes Urteil zu bilden.
Nicht ohne Grund neigen wir häufig zu einem Schwarz-Weiß-Denken. Das macht
es vermeintlich einfacher. Nicht ohne Grund sind wir oft zu träge, das Gute, das
wir erkannt haben, zu tun. Denn wir wissen: Es kostet Kraft, das Gute in die Tat
umzusetzen.
Wir könnten in Traurigkeit und Mutlosigkeit regelrecht versinken, wenn es nicht
den gäbe, von dem das Evangelium des ersten Fastensonntags spricht: Jesus Chris-
tus. Nicht zufällig bezeichnet ihn das Neue Testament auch als den „neuen“, den
„zweiten Adam“. Denn Jesus ist derjenige, der nicht nur besser als jeder andere
Böses von Gutem unterscheiden kann. Er ist zugleich derjenige, der gegen alle in-
neren und äußeren Widerstände die Kraft hat, das Gute zu tun. In ihm kommt
Gott uns zu Hilfe. Wir müssen nur bereit sein, uns helfen zu lassen. Die Fastenzeit
will uns dazu wieder in besonderer Weise die Gelegenheit geben. Nutzen wir diese
Zeit, indem wir uns häufiger als sonst Momente des persönlichen Rückzugs, der
Stille und des Gebetes nehmen. Als Glaubende sind wir in solchen Momenten
nicht allein: In der Taufe und in der Firmung haben wir den Geist empfangen, von
dem auch Jesus erfüllt war. (Mt 4,1) Dieser Geist hilft uns, besser zu erkennen,
worauf es ankommt, und er gibt uns Kraft, es auch zu tun.
In diesem Sinn wünsche ich Ihnen eine bestärkende Fastenzeit unter dem spürba-
ren Segen des dreifaltigen Gottes:  des Vaters und des Sohnes und des Heiligen
Geistes. Amen.
Ihr Bischof
+ Stephan



Als Video kann er ab Aschermittwoch, 22. Februar 2023 bei socialmedia@bistum-trier.de als
Datei angefordert werden. Damit ist die Möglichkeit gegeben, den Hirtenbrief bei entspre-
chenden technischen Möglichkeiten auch im Gottesdienst einzuspielen.
Für die allgemeine Öffentlichkeit steht das Video ab dem 25. Februar 2023, 18 Uhr, auf
www.bistum-trier.de zur Verfügung.
Brigitte Karpstein
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Re: Hirtenbrief von Bischof Stephan Ackermann zur Fastenzeit 2023

Beitrag von Brigitte Karpstein »

Bischof Stephan fragt bzgl. der Geschichte vom Baum der Erkenntnis:
"Ich persönlich frage mich immer wieder, warum Gott nicht wollte,
dass Adam und Eva vom Baum der Erkenntnis essen (Gen 2,17). Ist nicht die Fä-
higkeit, gut und böse zu unterscheiden, die Eigenschaft des Menschen, die über-
haupt erst ein verantwortungsvolles und friedliches Zusammenleben möglich
macht? Wenn ich nicht weiß, was gut und was böse ist, wie kann ich dann das
Gute tun? Anders gesagt: Wenn ich nicht weiß, was richtig und was falsch ist, wie
kann ich dann richtig handeln?" Und: "Warum also wollte Gott dem Menschen diese Fähigkeit vorenthalten?"
Wirklich ein inetressanter Ansatz, aber er ist für mich nicht so schlüssig. Denn dann hätte Gott das Böse erschaffen.

Ich interpretiere diese Geschichte anders:
Zum unbeschwerten, schönen Paradiesleben gehört es, sich an Rgeln zu halten, genau, wie in jeder Gemeinschaft, Gruppierung. Gott gibt diese Regel als Bedingung, Garantie dafür aus. Das zeigt ja auch unsere Erfahrung, dass es sich angenehm in einer Gruppe lebt, wenn alle die Regeln einhalten. Wer jedoch in einer Gemeinschaft gegen die Regeln verstößt, zerstört die Harmonie, das gute Zusammenleben, auch das hat jede und jeder schon erlebt.
Diese Regel, nicht vom Baum der Erkenntnis zu essen, zu befolgen oder dagegen zu verstoßen, steht den beiden Menschen frei, sie haben einen freien Willen bekommen und sollen oder können entscheiden. Erst, wenn sie vom Baum essen, also die Regel brechen und sich gegen Gott entscheiden, erkennen oder kennen sie das Böse. Gott enthält ihnen das Böse oder die Fähigkeit, diese zu erkennen, nicht vor, warum sollte er auch, der das Gute erschaffen hat.
Mir gefällt diese Interpretation besser, denn sie gibt eine gewisse Erklärung für das Böse in der Welt: Der Mensch wählt es in seiner Freiheit, er bewirkt es selber, ist dafür verantwortlich, nicht Gott. Zahlreiche besispiele aus der Geschichte und aktuell belegen dies. Sie verlieren die paradiesischen Zustände.
Brigitte Karpstein
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